Die Vertreter von fünf Bürgerinitiativen aus dem Biosphärenreservat Bliesgau übergaben am 8. Juli 2015 in der Staatskanzlei eine gemeinsame Petition für den Erhalt der Biosphäre Bliesgau als konsequente Naturregion an die Chefin der saarländischen Landesregierung, Annegret Kramp-Karrenbauer.
In dieser Online-Petition haben sich über 3.500 Menschen gegen geplante Windkraftwerke in Bliesmengen-Bolchen, Böckweiler und Webenheim sowie gegen einen ausufernden industriellen Abbau in einem Kalksteinbruch in Rubenheim wie auch gegen den daraus resultierenden erheblichen Schwerlastverkehr in mehreren betroffenen Orten ausgesprochen.
In den einzelnen Statements wurde deutlich, dass sich die Bürger nicht gegen die Nutzung alternativer Energien und notwendige erwerbswirtschaftliche Tätigkeiten in der Biosphärenregion Bliesgau aussprechen, sondern lediglich die Auswüchse einer verfehlten Energiepolitik durch die Planung gigantischer Industrieanlagen in Form von 200 Meter hohen Windkraftmonstern und undurchsichtige Genehmigungsverfahren im Rahmen der Erweiterung des Kalksteintagebaus
anprangern. Alle diese auch von politischer Seite vorangetriebenen Projekte würden nach Meinung der Bürgerinitiativen nicht nur einen starken Imageschaden der Biosphäre Bliesgau nach sich ziehen, sondern große Teile der dort lebenden Menschen gesundheitlich gefährden, die Lebensqualität stark verschlechtern und durch die negativen Auswirkungen der opitschen Landschaftsbildveränderungen zu einem Rückgang der gerade mit viel Steuergeld geförderten Tourismusaktivitäten führen. Hier müsse sich die Landesregierung fragen lassen, ob der Preis einer solch kurzsichtigen Vorgehensweise zu Lasten des Gemeinwohls und zu Gunsten des fragwürdigen Nutzens für einige Wenige gerechtfertigt erscheint.
Zu den Belastungen für die Bevölkerung käme bei Realisierung und Fortführung solcher Projekte noch die unwiderrufliche Zerstörung der schützenswerten Naturlandschaft des Bliesgaus, da für riesige, weithin sichtbare Windräder nicht nur einmalige Blickachsen zerstört würden, sondern erhebliche Waldvernichtung und die Vernichtung des Lebensraumes vieler Tierarten, vor allem des seltenen Rotmilans, zu befürchten seien. „Damit sägt sich die Region den stärksten Ast ab, auf dem sie sitzt“, sagte ein Vertreter der Bürgerinitiativen an die Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer gerichtet.
So seien im Rahmen der Erweiterung des Kalksteinabbaus in Rubenheim zwar von den Behörden zunächst ablehnende Bescheide ergangen. „Die sind jedoch durch Sondergenehmigungen außer Kraft gesetzt worden“, so ein weiterer Vertreter der Bürgerinitiativen. Die Kalkmagerwiesen in diesem Gebiet würden durch den fortgesetzten Kalksteinabbau ausgetrocknet und zerstört. Die Behörden werden deshalb zur Einhaltung von Recht und Gesetz bei den Genehmigungsverfahren aufgefordert. Hierzu wolle die Ministerpräsidentin klärende Nachfragen bei den Ministerien veranlassen. Auch die wohl gängige Praxis, dass Anfragen von Bürgern an diese öffentlichen Stellen einfach nicht beantwortet würden, wurde der Ministerpräsidentin vorgetragen. „Wollen die Gemeinden wirklich auf juristische Auseinandersetzungen mit ihren Bürgern hinaus?“, lautete eine Frage aus den Reihen der Bürgerinitiativen.
In Richtung des Biosphärenzweckverbandes Bliesgau argumentierte eine Vertreterin der Bürgerinitiativen: „Natur und Landschaft spielen heute eine viel größere Rolle als vor Jahren. Wo Natur drauf steht, muss schließlich auch Natur drin sein!“ Die Verbandsoberen spielen hier aus der Sicht vieler Bürger eine unrühmliche Rolle. Sie verhalten sich als ein Lobby-Verband pro Windkraft und Industrie und werden ihrer eigentlichen Aufgabe nicht gerecht, die Anforderungen der UNESCO im direkten Zusammenhang mit dem Erhalt eines Biosphärenreservates umzusetzen. Auch die Bürgerenergiegenossenschaft aus der Region vertritt einseitig ihre von Gewinnmaximierung geprägten vordergründigen Interessen, ohne auf den Willen der unmittelbar betroffenen Bevölkerung Rücksicht zu nehmen. Nach Meinung der Bürgerinitiativen gingen sie damit das Risiko einer Aberkennung des Biosphären-Status ein. Schließlich weist das UNESCO MAB-Nationalkomitee in seinem Positionspapier ausdrücklich darauf hin, dass derartige Projekte in Biosphärenreservaten „von der Mehrheit der ortansässigen Bevölkerung befürwortet“ werden sollen!“ Das harmonische Zusammenleben von Mensch und Natur ist eine der wesentlichen Forderungen der UNESCO.
Unter dem Eindruck dieser Argumente hat die Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer vorgeschlagen, dass sich die Landesregierung im Kabinett nach der Sommerpause mit den von den Bürgerinitiativen vorgetragenen Problemstellungen innerhalb der Biosphärenregion Bliesgau befassen solle. Bleibt also abzuwarten, ob die Landesregierung in Richtung drohender Industrialisierung der Biosphärenregion Bliesgau von ihrer Richtlinienkompetenz im Sinne der
Bürgermehrheit und des Natur- und Artenschutzes Gebrauch machen wird. Bisher war die Diskussion der Befürworter von Windkraftwerken, Kalksteinabbau und Schwerlastverkehr im Bliesgau eher von persönlichen und wirtschaftlichen Interessen geprägt. Jetzt sollte das Interesse der überwiegenden Mehrzahl der Bürger in den Vordergrund treten.